„So war es wohl in Babylon,“ hätte sich ein Nichteingeweihter wohl gedacht, wenn er sich in der ersten Augustwoche zu uns ins Unigebäude verirrt hätte. Denn dort in Berlin Zehlendorf fand der 20. Weltkongress unseres Internationalen Übersetzerverbands FIT statt. Das bunte Sprachgewirr von über 1600 Übersetzern, Dolmetschern und sonstigen Sprachprofis erzeugte ein feines Summen wie in einem Bienenschwarm, das mich noch tagelang begleitete.
Ansteckung mit dem Sprachvirus
Mich erinnerte es an jene Zeit, als ich mich mit der Sprachbegeisterung infizierte. Bei einem internationalen Sommercamp des Jugendrotkreuzes an der rumänischen Schwarzmeerküste genoss ich 1987 zum ersten Mal dieses Bad in der Sprachenvielfalt. Faszinierend, wie sich junge Menschen aus Dänemark, Irland, Russland, Rumänien, der Türkei und vielen anderen Ländern erfolgreich verständigten und Gemeinsamkeit erlebten, und das mit geringen Sprachkenntnissen und trotz völlig unterschiedlicher politischer Weltanschauungen! Bis tief in die Nacht diskutierten wir damals heiß über den jungen Flieger Mathias Rust. Der hatte im Mai zuvor die Chuzpe besessen, mit seiner Cessna den eisernen Vorgang zu überwinden und mitten in Moskau zu landen. Wenn wir auch seine Motivation nicht ergründen konnten: Mir wurde klar, dass ich die Sprachen zu meinem Beruf machen wollte.
Vielfalt und Denkanstöße
Diese Faszination, durch Sprache ein Gefühl der Gemeinsamkeit und gegenseitiges Verstehen zu erreichen, trägt mich noch immer bei meiner Arbeit. Das bestätigte sich auch auf dem FIT-Kongress. Da gab es nicht nur fröhliches Networking und interessante Gespräche mit BerufskollegInnen und Ausstellern, sondern auch erstklassige Vorträge, Workshops und Diskussionsrunden mit aufrüttelnden Forderungen. Beispielsweise forderte die streitbare Chris Durban* die freiberuflichen Übersetzer auf, durch eigenes Handeln das Image unseres Berufsstands aktiv aufzuwerten. Ich bin mit vielen frischen Ideen im Gepäck heimgekehrt und freue mich über die zahlreichen neuen Kontakte.
Resolution für gefährdete Berufskollegen
Sehr positiv und wichtig fand ich auch, dass wir mit über 1600 Kolleginnen und Kollegen aus 70 Ländern eine Resolution verabschiedeten, die den Schutz von Übersetzern und Dolmetschern in Krisenregionen fordert. Bravo, FIT!
Perfekte Organisation
Zu guter Letzt: Ein riesengroßes Lob an das Organisationsteam vom BDÜ. Damit haben wir natürlich wieder unser Image als perfektionistische Deutsche bedient, aber damit leben wir gerne, wenn der Lohn ein so toller Kongress ist.
*Autorin von: „The Prosperous Translator” und „101 Things a Translator Needs to Know”