Bye, bye, Linguee?

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Wie schade! Mein geliebter MemoQ-Shortcut für die Linguee-Suche war mir in Fleisch und Blut übergegangen, und jetzt läuft er seit Wochen ins Leere.

Aber langsam: Als Linguee vor einigen Jahren auf den Markt kam, rümpften viele Übersetzerkolleginnen und -kollegen die Nase. Zu viel Müll werde da angeboten, unzuverlässig sei diese Kombination aus Wörterbuch und Korpus-Suchmaschine. Und richtig, unter den zahlreichen Suchergebnissen war und ist viel Nonsens.

Linguee ist kein Nachschlagewerk im üblichen Sinn

Als Sprachprofi nutze ich Linguee aber nicht als Nachschlagewerk im üblichen Sinn. Während ich den Ausgangstext lese, sehe ich vor dem geistigen Auge schon eine Reihe von Varianten für den Zieltext. Manchmal hege ich noch einen gewissen Zweifel. Dann nutze ich Linguee und prüfe, ob ich richtig liege. Wenn ich die Suchergebnisse durchgehe, scanne ich einerseits die Zahl der Fundstellen und andererseits die Güte und Zuverlässigkeit der angegebenen Quellen. Als Profi traue ich mir durchaus zu, die Spreu vom Weizen zu trennen und kann von Linguee profitieren.

Mit der vorübergehend angebotenen Premium-Version von Linguee ließ sich mit einfachem Mausklick ein markierter Ausdruck an Linguee senden und das Suchergebnis aufrufen. Dieses kleine Tool steigerte meine Effizienz, deshalb war ich auch bereit, dafür zu bezahlen. Zwar hat auch mein CAT-Tool MemoQ eine Web-Search-Funktion, bei der sich Linguee hinterlegen lässt, aber sie ist mir etwas zu träge.

Neuausrichtung von Linguee

Auch der Tool-begeisterte Kollegen Jost Zetzsche bedauerte in seiner 245. Ausgabe des „Computer Journal for Translation Professionalsunlängst, dass viele Übersetzer das Potenzial dieser Software nicht erkannten und nicht bereit waren, für diese Leistung zu bezahlen.

Das mag wohl auch ein Grund gewesen sein, weshalb man sich bei Linguee eine neue, breitere Zielgruppe auserkoren hat und das Angebot zu einem Wörterbuch umfunktionieren will. Deshalb sind jetzt die Korpus-Suchergebnisse nach unten gerückt, die redaktionell geprüften Wörterbucheinträge erscheinen zuerst.

Wohl ist die neue AutoComplete-Funktion sehr komfortabel, aber das Scrollen zu den von mir genutzten Korpus-Ergebnissen ist lästig und kostet Zeit. Das Nutzer-Feedback auf der Linguee-Seite zeigt, dass viele andere Nutzer weltweit diese Ansicht teilen. Vielleicht besinnen sich die Linguee-Macher ja noch oder bieten eine konfigurierbare Alternative an? Es wäre so schade, wenn diese Korpussuche noch mehr in den Hintergrund rückt. Vielleicht haben wir eine große Chance vertan?