Als Übersetzerin auf der tekom-Jahrestagung 2016

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Tekom Jahrestagung

Bin ich hier rich­tig? Die TCWorld Con­fe­rence, Euro­pas größ­te Kon­fe­renz und Mes­se für tech­ni­sche Kom­mu­ni­ka­ti­on, wich­ti­ge „Play­er“ im Bereich Tech­ni­schen Redak­ti­on und die markt­be­herr­schen­den Agen­tu­ren aus der Über­set­zungs­bran­che.

Nicht gera­de ein gro­ßer Anreiz für Frei­be­ruf­ler, die Rei­se nach Stutt­gart anzu­tre­ten? Das könn­te man den­ken, ins­be­son­de­re, weil sich vie­le Tools und Dienst­leis­ter auf der tekom-Tagung auf die Berei­che Maschi­nen­bau und Auto­mo­bil­in­dus­trie kon­zen­trie­ren.

Doch das Tagungs­pro­gramm mit über 250 Vor­trä­gen über­zeug­te mich, wie­der ein­mal mei­ne tekom-Mit­glied­schaft zu nut­zen. An die­sen drei Kon­fe­renz- und Mes­se­ta­gen woll­te ich erfah­ren, wie sie inzwi­schen ticken, die Agen­tu­ren und Betrie­be, die Sprach­dienst­leis­tun­gen ein­kau­fen, und wel­che neu­en Tools und Trends die Bran­che „rocken“.

Erster Eindruck – Männerbastion war gestern

Als ich vor etwa 20 Jah­ren erst­mals auf einer tekom-Tagung war, bestand das Publi­kum fast aus­schließ­lich aus Män­nern. Nicht mehr: Wäh­rend frü­her Bedie­nungs­an­lei­tun­gen etc. haupt­säch­lich von tech­nik­fo­kus­sier­ten Inge­nieu­ren ver­fasst wur­den, die die­se – oft unbe­lieb­te – Auf­ga­be aufs Auge gedrückt bekom­men hat­ten, gibt es seit eini­gen Jah­ren den Beruf des Tech­ni­schen Redak­teurs. Viel­leicht, weil dafür neben dem tech­ni­schen Grund­ver­ständ­nis auch viel an Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ge­schick gefragt ist, zieht er immer mehr Frau­en an.

Der technische Redakteur macht was?

Wer sich für die­ses Tätig­keits­feld ent­schei­det, lernt von der Pike auf, wie man tech­ni­sche Doku­men­ta­ti­on für vie­ler­lei Medi­en pro­du­ziert. Aspek­te wie Gefähr­dungs­ana­ly­se, Nor­men­wis­sen, gra­fi­sche Dar­stel­lun­gen, Päd­ago­gik, Lern­psy­cho­lo­gie, Beherr­schung unter­schied­lichs­ter Tools (wie Autoren­werk­zeu­ge, Ter­mi­no­lo­gie­da­ten­ban­ken, Qua­li­täts­prü­fungs­soft­ware), tech­ni­sches Know-how, kon­trol­lier­te Spra­che und Kom­mu­ni­ka­ti­on sind nur ein paar Punk­te aus dem viel­sei­ti­gen Lehr­plan.

Verwandte Berufe, verwandte Themen

Weil vie­le tech­ni­sche Autoren die Über­set­zung ihrer Tex­te selbst koor­di­nie­ren und wir teil­wei­se sehr ähn­li­che Werk­zeu­ge benut­zen, kön­nen Über­set­zer und Redak­teu­re viel von­ein­an­der ler­nen.

So ent­hielt denn das Tagungs­pro­gramm auch einen gan­zen The­men­block von Vor­trä­gen, die sich mit Ter­mi­no­lo­gie­ar­beit befass­ten, mit Über­set­zungs­ma­nage­ment und Kos­ten­sen­kung bei Über­set­zun­gen. Maschi­nel­le Über­set­zung und Pos­t­editing wur­den eben­falls heiß dis­ku­tiert.

Der VERZICHT auf ein TMS kommt mittelfristig teurer als dessen Anschaffung.

Die Ein­füh­rungs­kos­ten für CAT-Tools wer­den oft unter­schätzt, aber der VERZICHT auf ein TMS kommt mit­tel­fris­tig teu­rer als des­sen Anschaf­fung.

Die Refe­ren­ten von Loc­ti­mi­ze, einem Bera­tungs­un­ter­neh­men, das sich auf Work­flows und Tools für das Über­set­zungs­ma­nage­ment kon­zen­triert, rie­ten den Zuhö­rern bei­spiels­wei­se, stets den gesam­ten Über­set­zungs­pro­zess zu ana­ly­sie­ren: Die Ein­spar­po­ten­zia­le soll­ten nicht nur bei den Frei­be­ruf­lern gesucht wer­den, „die auch leben müs­sen“, son­dern oft schon in den Pro­zess­schrit­ten vor und nach der Über­set­zung. Genau um sol­che Denk­an­sät­ze zu erfah­ren, bin ich nach Stutt­gart gekom­men.

Wer bezahlt 100%-Matches?

Als ein Refe­rent das Publi­kum frag­te, wer der Mei­nung sei, dass für 100%-Matches nichts bezahlt wer­den müs­se, gin­gen erschre­ckend vie­le Hän­de nach oben. Eine gan­ze Rei­he erst­klas­si­ger Argu­men­te, die klar bele­gen, dass nicht jedes über­setz­te Ziel­seg­ment „recy­cel­bar“ ist, lie­fer­te spä­ter Fran­çois Mas­si­on (D.O.G. Doku­men­ta­ti­on ohne Gren­zen GmbH) in sei­nem Vor­trag zur Wie­der­ver­wend­bar­keit von Über­set­zun­gen. Wer die­se Bei­spie­le gese­hen hat, wird zustim­men, dass ein 100%-Match IMMER geprüft – und des­halb bezahlt – wer­den muss.

Themenvielfalt

Ter­mi­no­lo­gie­ar­beit war nur einer der Schwer­punk­te der Kon­fe­renz, auch die ISO-Norm ISO 17100 zu Über­set­zungs­pro­jek­ten wur­de den poten­zi­el­len Auf­trag­ge­ber vor­ge­stellt.

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Wei­te­re für Über­set­zer rele­van­te The­men waren bei­spiels­wei­se über­set­zungs­ge­rech­tes Schrei­ben, Zusam­men­ar­beit in ver­teil­ten Teams und rechts­kon­for­me Warn­hin­wei­se. Auch die ein­ge­bet­te­te Kon­fe­renz der Glo­ba­liza­ti­on and Loca­liza­ti­on Asso­cia­ti­on (GALA) Kon­fe­renz bot viel Inter­es­san­tes für Sprach­dienst­leis­ter.

Für die tech­ni­schen Autoren gab es ein brei­tes Spek­trum von Spe­zi­al­the­men wie etwa CMS-Sys­te­me, Aug­men­ted Rea­li­ty, Nor­men etc. Eine Über­sicht und vie­le Vor­trä­ge zum Down­load fin­det man der Tagungs­sei­te: http://tagungen.tekom.de/h16/tekom-jahrestagung-2016/.

Workshops

In die Tagungs­ge­bühr ein­ge­schlos­sen war auch die Teil­nah­me an meh­re­ren Work­shops und Tuto­ri­als. Ich hat­te mich unter ande­rem für eine „Ein­füh­rung in Regex“ ent­schie­den.

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Die­se auf den ers­ten Blick kryp­ti­schen Zei­chen­fol­gen kön­nen wir in vie­len CAT-Tools ein­set­zen – ent­we­der, um läs­ti­ge Stan­dard­ar­bei­ten zu auto­ma­ti­sie­ren, etwa Datums- und Zah­len­for­ma­te ziel­spra­chen­kon­form umzu­wan­deln, für die Qua­li­täts­prü­fung (Bei­spiel: „Suche alle Stel­len, in denen kein Leer­zei­chen zwi­schen einer Zahl und einer Ein­heit steht“) oder für aus­ge­klü­gel­te Suchen.

Inzwi­schen habe ich auch eine sehr prak­ti­sche Sei­te gefun­den, die es einem erspart, die­se Zei­chen­fol­gen selbst aus­zu­tüf­teln (http://regexlib.com).

Bei einem wei­te­ren Work­shop ging es dar­um, Tex­te mit ein­fa­chen Hilfs­mit­teln auf ihre Les­bar­keit abzu­klop­fen. Eines davon ist übri­gens in MS Word inte­griert und lässt sich mit weni­gen Klicks akti­vie­ren (Tipp: Suchen Sie in der Hil­fe nach „Akti­vie­ren der Les­bar­keits­sta­tis­tik“).

Messegespräche

Auch am Stand des BDÜ gab es einen regen Aus­tausch.

An die Tagung ange­glie­dert ist stets eine gro­ße Mes­se, auf der die Her­stel­ler diver­ser CAT-Tools, gro­ße und mit­tel­stän­di­sche Sprach­dienst­leis­ter und zahl­rei­che Soft­ware­un­ter­neh­men für QA-und Autoren­werk­zeu­ge usw. um die Auf­merk­sam­keit der Besu­cher buh­len. Bei viel zu vie­len Tas­sen Kaf­fee hat­te ich dort min­des­tens eben­so vie­le gute Gesprä­che. Die Tool­her­stel­ler, die sich ger­ne neue Markt­seg­men­te erschlie­ßen, waren durch­aus auf­ge­schlos­sen für Anre­gun­gen von Frei­be­ruf­lern. Erschwing­li­che MT-Optio­nen für Free­lan­cer und Ver­bän­de (BDÜ?) und Tools zur Bereit­stel­lung der erar­bei­te­ten Ter­mi­no­lo­gie waren The­men, die ich dabei ansprach.

Mein klei­nes High­light war ein kur­zer Auf­tritt mit der tekom All­Star­Band, die beim Net­wor­king Event büh­nen­er­prob­te tekom-Mit­glie­der ein­lud, Teil ihrer abend­li­chen Per­for­mance zu wer­den. Wir hat­ten rie­si­gen Spaß bei „Jail­house Rock“ und „Blue Suede Shoes“.

Fazit

Beson­ders in unse­rer von Dum­ping­preis-Anbie­tern gebeu­tel­ten Über­set­zungs­bran­che hilft es, als Frei­be­ruf­le­rIn tech­nisch und fach­lich auf der Höhe zu sein. Denn nur mit über­zeu­gen­den Argu­men­ten und Bran­chen­wis­sen kön­nen wir selbst­be­wusst ver­hin­dern, dass wir auf der Preis­spi­ra­le nach unten gedrängt und aus­schließ­lich als „Hilfs­kraft für die Nach­be­ar­bei­tung von maschi­nel­len Über­set­zun­gen“ wahr­ge­nom­men wer­den. Pos­t­editing als Zusatz-Stand­bein ja, aber nicht als ein­zi­ger image­prä­gen­der Fak­tor!

Wir haben viel mehr in die Waag­scha­le zu wer­fen: Bie­ten wir unse­ren Kun­den doch kom­pe­ten­te Bera­tung, Qua­li­tät und einen ech­ten Mehr­wert, gepaart mit der rich­ti­gen tech­ni­schen Aus­stat­tung für hohe Pro­duk­ti­vi­tät.

Wer sich übri­gens Appe­tit für die tekom-Jah­res­ta­gung 2017 geholt hat, darf sich fol­gen­den Ter­min vor­mer­ken: 24. – 26.10.2017 in der Mes­se Stutt­gart.