„I can’t get no ….Transcreation!“ – Übersetzer als Copywriter?

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Transcreation

Englische Textvorlagen für Marketing- und PR-Material lassen sich selten 1:1 ins Deutsche übersetzen. Aber auch die unternehmensinterne Kommunikation muss besonders griffig formuliert werden, weil sie das Image prägt! Anstelle der vollständigen Neukonzeption durch eine PR-Agentur bietet sich hierfür die kreative Adaption durch einen versierten Übersetzer an, die „Transkreation“.

Was das bedeutet, ist vielen Kunden und Übersetzerkollegen noch nicht so recht klar.

Das verstehe ich unter Transkreation:

Transkreation ist die Übersetzung und interkulturelle Adaption von Marketingtexten und Image-prägenden Texten unter Berücksichtigung der Zielgruppe, des Zielmarktes und der zielsprachlichen Besonderheiten.

Übersetzen ist übersetzen. Eben nicht.

Manche wenden ein: „Was heißt das, der Zieltext wird „adaptiert“ an die Kultur, Sprachbesonderheiten und Gegebenheiten des Ziellandes? Diese Anpassung ist doch selbstverständlich. Das genau erwarte ich doch von einem Übersetzer.“ Bei reinen Fachtexten stimme ich zu.

Damit aber ein übersetzter PR- und Marketingtext in der Zielsprache die gleiche Wirkung erzielt wie der Ausgangstext, muss dieser einen aufwändigen mehrstufigen Prozess durchlaufen, bei dem die Übersetzung nur ein erster Schritt ist. Das leuchtet ein, wenn man bedenkt, wie Werbeagenturen Texte entwickeln:

Entstehung des Ausgangstexts – Copywriting

Soll eine Werbeagentur etwa einen PR-Text oder eine Anzeige konzipieren, erhält sie normalerweise ein umfangreiches Briefing. Dem folgen Recherche, Brainstorming, Kreativphase, Umsetzung, Präsentation und meist mehrere Abstimmungsrunden des Texts mit dem Klienten. Einleuchtend, dass sich diese Leistung nicht auf Wortbasis abrechnen lässt.

Transkreation als Schnittmenge zwischen Übersetzung und Texten

Ganz ähnlich muss der Übersetzer als „Transkreativ-Texter“ von Marketingtexten vorgehen: Er benötigt ein gründliches Briefing mit Informationen über die Zielgruppe, den gewünschten Effekt des Texts, darüber, ob der Kunde etwa eine Corporate Language oder Stilrichtlinien vorgibt und so weiter.

Ein Übersetzer, der mit einer Transkreation beauftragt ist, überträgt alle Botschaften des Ausgangstexts so geschickt, dass dieser wirkt, als wäre er in der Sprache des Ziellandes verfasst worden. Hierzu erstellt der Übersetzer meist erst eine „Rohversion“ der Übersetzung. Anschließend bearbeitet er den Text anhand des Briefings Schritt für Schritt – in einem zeitintensiven Kreativprozess wie bei einer PR-Agentur. Einleuchtend, dass sich auch diese Leistung nicht auf Wortbasis abrechnen lässt?

Weil bei der Transkreation kein völlig neuer Text entsteht, sondern die Kernbotschaften des Ausgangstexts übernommen werden sollen, ist sie eine Art „Schnittmenge“ zwischen Übersetzung und Texten bzw. „Copywriting“. Und durch die Vorgaben ist dieses Adaptieren in mancher Hinsicht sogar komplexer als die Neuerstellung eines Textes.

Viele Übersetzer und Übersetzerinnen fühlen sich nicht wohl im Spannungsfeld zwischen Übersetzung und Copywriting. Das ist völlig in Ordnung so, denn nicht jeder textet gerne selbst. Wichtig ist aber, dass der Übersetzer als kompetenter Dienstleister seine Grenzen kennt und die Kunden aufklärt:

Wenn ein Kunde mit der ÜBERSETZUNG eines werblichen Texts unzufrieden war („Das müsste viel freier übersetzt sein“), lag es vielleicht daran, dass er eigentlich eine TRANSKREATION wollte. Ein kundenorientierter Übersetzer fragt deshalb bei der Auftragsklärung,

A. ob der Kunde eine wortgetreue Übersetzung wünscht, die als Grundlage für seine eigene weitere Ausarbeitung bzw. die Umsetzung durch eine Werbeagentur dienen soll, oder

B. ob der Kunde eine umfassende stilistische Überarbeitung und strategisch-kreative Adaption an die Zielkultur wünscht (Transkreation)

Entscheidet sich der Kunde für B, kann der Übersetzer die Transkreation entweder selbst anbieten – wenn er sich entsprechend fortgebildet hat – oder einen entsprechenden Transkreativ-Texter vermitteln. Das zeugt von Professionalität.

Sinnvolle Abrechnung der Transkreation

Bei den meisten Textsorten ist in der Übersetzungsbranche noch die Abrechnung nach Wörtern oder Normzeilen üblich. Weil aber scheinbar locker-flockige Slogans oder knackig-kurze Werbeaussagen stunden- oder gar tagelange Arbeit erfordern, wird diese Abrechnungsmethode dem Aufwand nicht gerecht. Sinnvoller ist es also, die kreative Adaption eines Textes auf Stunden- oder Projektbasis abzurechnen.

Bekannte Gesichter sah ich im April 2017 beim 2-Tage-Workshop „Transkreation – Vom Über-Setzen zum Über-Texten“, geleitet von der erfahrenen Transkreativ-Texterin Nina Sattler-Hovdar. Denn einige der Teilnehmer hatte ich zuvor in anderen Fortbildungen des Berufsverbands der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) zum Thema Lektorat oder „Kreatives Schreiben“ kennengelernt. Viele Übersetzer, die gerne selbst texten, freuen sich über die Transkreation als neues Wirkungsgebiet.

Literatur zum Thema

Autorin: Nina Sattler-Hovdar

Titel: „Translation – Transkreation, Vom Über-Setzen zum Über-Texten“

Verlag: bdue-fachverlag.de

Preis: 31,00 EUR

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Die Inspiration zu diesem Beitrag?

Bekannte Gesichter sah ich im April 2017 beim 2-Tage-Workshop „Transkreation – Vom Über-Setzen zum Über-Texten“, geleitet von der erfahrenen Transkreativ-Texterin Nina Sattler-Hovdar. Denn einige der Teilnehmer hatte ich zuvor in anderen Fortbildungen des Berufsverbands der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) zum Thema Lektorat oder „Kreatives Schreiben“ kennengelernt. Viele Übersetzer, die gerne selbst texten, freuen sich über die Transkreation als neues Wirkungsgebiet.